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Ein „Moskito“ lebt seinen WM-Traum

3. Juli 2024 / Allgemein, Kickboxen
Ein „Moskito“ lebt seinen WM-Traum

Kickboxerin Jule Greul aus Breitbrunn ist ein eine herausragende Persönlichkeit des Sportstudios in Ebern. Die 16-Jährige liebt das Kämpfen – und Ausflüge mit der Neubrunner „Moped-Gang“.

Von Michael Döhler


BREITBRUNN/EBERN. Sie hört Musik der beiden Deutschrapper Cro und Panashim, isst gerne Pizza und Kloß mit Soße, schaut Fußball und ist öfters mit dem „Moped“ unterwegs. Und wenn die 16-jährige junge Frau das offenherzig und freundlich erzählt, mag man im ersten Moment nicht glauben, dass sie auch kraftvoll zuschlagen und treten kann. Dass es tatsächlich so ist, beweisen unzählige Medaillen, Urkunden und Pokale, die in ihrem Zimmer im Elternhaus im unterfränkischen Breitbrunn an der Wand hängen und die große Vitrine füllen. Jule Greul ist eine der besten deutschen Nachwuchskickboxerinnen und das Aushängeschild des SV 2000 Ebern. Dass sie sich nicht für Fußball als Hobvon entschieden hat, ist ihren beiden Sandkasten-Kumpels Julius Strätz und Linus Müller zu verdanken. Die älteren Brüder der beiden schwangen zu jener Zeit erfolgreich die Fäuste und Füße und waren der Grund, dass die junge Jule das ebenfalls einmal ausprobieren wollte. Damals hatte niemand ernsthaft ahnen können, dass im Jahr 2024 unglaubliche 93 Podestplätze in ihrer Bilanz stehen würden, die sie mit seither 113 Starts bei 67 Turnieren in zehn Ländern für sich und das Eberner Kampfteam „Moskitos“ geholt hat.

Fußball und Ballett im Kindesalter
„Ich habe ab meinem vierten Lebensjahr und bis zur U9 Fußball beim FC Neubrunn gespielt und auch ins Ballett bei den ‚Magical Moves’ bei uns in Breitbrunn hineingeschnuppert, wusste aber dann schon nach dem ersten Kickboxtraining in Ebern, dass das mein Sport sein würde“, erinnert sich das Bewegungstalent. Mit der nötigen Motorik und Koordination ist sie reichlich ausgestattet. Und dass dort, wie sie es kennengelernt hat, Werten wie Disziplin, Respekt vor dem Gegner und mentale Stärke größte Bedeutung beigemessen wird, hat entscheidend zu ihrer Entwicklung zu einem selbstbewussten und lebensbejahenden Teenager beigetragen. „Ich bin ausgeglichen, kann Ungerechtigkeit nicht leiden, resigniere nicht und Aufgeben ist für mich keine Option“, beantwortet die Schülerin des Eberner Friedrich-Rückert-Gymnasiums die Frage nach ihren Charaktereigenschaften. Das können Vater Jochen und Mutter Heike uneingeschränkt bestätigen.

„Jule hatte sich bei einer großen Kickbox-Gala in Rödental so schwer am großen Zeh verletzt, dass sie ins Krankenhaus musste. Dort hat sie dann Terror gemacht, weil sie unbedingt schnell wieder zurück in die Halle wollte, um noch ein signiertes Bild vom damaligen Stargast, der mehrfachen Weltmeisterin Julia Irmen, zu bekommen“, erinnert sich Jochen Greul. „Sie musste vier Wochen einen Gips tragen, wollte aber auf jeden Fall bei den German Open starten. Wir sind dann am Mittwoch nach München angereist, sie hat noch am gleichen Tag mit Spezialschuh trainiert, sich am Freitag eine Fußmassage geben lassen und am Samstag quasi von null auf hundert den zweiten Platz erkämpft.“

„Ich will kämpfen!“
Papa Jochen, ehemals Fußballer und inzwischen seit Jahren als Betreuer mit den Eberner Kickboxern unterwegs und – wie er lachend erzählt – als „Pratzen-Halter“ für seinen Spross im Training gefordert, kann sich noch gut an die Anfänge erinnern. „Sie hat 2012 mit dem Kickboxen angefangen, war dann schon zwei bis drei Jahre im Sportstudio von Jürgen Schorn, als sie einmal mit Darius Strätz trainieren durfte. Der hat große Pokale gehabt. Irgendwann hat sie gesagt: ‚Ich will kämpfen!’ Ich weiß noch, wie Jürgen mich drei Monate später gefragt hat: ‚Sie will wirklich kämpfen?’, weil sie war ja noch ein recht zartes Geschöpf.“

Seine Jule wollte. Und ließ von Beginn an keinen Zweifel daran aufkommen, wie ernst ihr die Sache war. Schon bei ihren ersten drei großen Turnieren – Adidas-Cup, Manus-Trophy und Offener Bayern-Pokal – durfte sie aufs oberste Treppchen steigen. Schnell wurde auch der Nationaltrainer auf sie aufmerksam, seit 2017 gehört die Breitbrunnerin dem deutschen Nationalkader Jugend und Junioren im Pointfighting an. Als die größten unter ihren zahlreichen Erfolgen nennt die 1,70 Meter große und 56 Kilogramm schwere Athletin Dreifach-Silber 2018 bei den US-Open, gleichbedeutend mit der WM des Verbandes ISKA, den dritten Platz im Teamfight bei der Weltmeisterschaft 2022 im italienischen Jesolo, drei Siege bei den German Open, zwei DM-Titel und Rang 2 beim Weltcup in Ungarn.

Amerika-Trip das Highlight
„Die neun Tage in Amerika waren das bisherige Highlight. Da wollten wir unbedingt hin. Und die Leute dort sind viel entspannter als bei uns“, schwärmt Jule Greul noch heute vom Trip nach Übersee und dem Top-Event im Disney-Park von Orlando. Zumal er mit den zweiten Plätzen in Pointfighting, Leichtkontakt und dem nur in den USA betriebenen Clash Sparring sportlich extrem erfolgreich ausfiel. Wohl auch deshalb, weil auch dorthin ihr Mentor Jürgen Schorn sie begleitete.

Jener war selbst jahrelang einer der besten deutschen Kickboxer, ist seit 2021 Ehrenpräsident des Verbandes WAKO, dessen Aufnahme in den Deutschen Olympischen Sportbund 2017 er maßgeblich mit betrieben hat, und gibt nach wie vor sein Wissen als Trainer weiter. „Jule hat zu Jürgen eine sehr enge Bindung. Sein Coaching war für sie immer extrem hilfreich und wichtig. Dieses Vertrauen hat ihr einige entscheidende Punkte in engen Kämpfen eingebracht“, weiß Jochen Greul. Umso größer war der Schock, als sich der Ex-US-Open-Sieger und Vizeeuropameister beim Fußballspielen mit Kindern 2022 einen Achillessehnenriss zuzog und mit weiteren gesundheitlichen Problemen für längere Zeit ausfiel. Obwohl jener von seinem Sohn Vincent, Physiotherapeut und ebenfalls erfolgreicher Kickboxer, gut vertreten worden sei, habe seiner Tochter in dem einen oder anderen Kampfmoment wohl jenes Plus gefehlt.

Gemäß ihrem Motto „Alles im Leben geschieht aus einem Grund“ hat sie jedoch auch das bestmöglich zu meistern versucht. In der Vorbereitung auf die Europameisterschaft 2023 in Istanbul absolvierte Jule Greul zusätzlich Spezialtraining bei Weltmeister Timmy Sarantoudis im baden-württembergischen Niedernhall. Mit einem 9. Platz kehrte sie aus der Türkei zurück. In diesem Jahr ist für sie eine Nominierung für die Weltmeisterschaft nicht erreichbar, da sie an einigen großen Events nicht teilnehmen konnte. Während der German Open war sie im Rahmen eines Schüleraustauschprogramms in Spanien, auf die deutsche Meisterschaft musste sie wegen einer nicht verschiebbaren Schulaufgabe verzichten und statt dem Weltcup in Ungarn im Juni stand der Gegenbesuch von der iberischen Halbinsel auf dem Plan. Für 2024 stehen aktuell „nur noch“ im September der Flanders-Cup im belgischen Beveren und die Manus-Trophy im hessischen Weiterstadt, im Oktober der Adidas-Cup in Bad Salzungen sowie die Bavarian Open im November in Altötting auf der Agenda.

Einer Prüfung weniger sportlicher Art will sich Jule Greul vorher noch stellen. Sie wird Ende Juli 17 und arbeitet auf den Autoführerschein hin („Die Theorie habe ich schon“). Auch da trägt Vater Jochen nach besten Kräften zum mutmaßlichen Gelingen bei. Er arbeitet hauptberuflich als Beamter in der Verwaltungsgemeinschaft Ebern und hilft im Nebenberuf als Fahrlehrer aus. Er macht sich auch da keine Sorgen, dass sein Schützling es nicht schaffen könnte. „Ich habe bis jetzt alle Führerscheine mit ihr gemacht und ich war vor der Prüfung immer nervöser als sie selbst“, berichtet er lachend.<

Man lebt nur einmal
Bis es soweit ist, geht es noch auf zwei Rädern über die Piste – zur Schule oder mit den Freunden aus der Neubrunner „Moped-Gang“ durch die Heiligen Länder, wie ihr Heimatgebiet im südlichen Haßberge-Kreis rund um die Gemeinde Kirchlauter im Volksmund genannt wird. Im vergangenen Spätsommer löste eine schicke Aprilia SX 125 die 50-Kubikzentimeter-Simson ab. „Ich bin nicht die Langsamste, bin aber schon regelkonform unterwegs“, beantwortet die Bikerin die Frage nach ihrem Fahrstil souverän.

„Sie fährt nicht immer den direkten Weg von der Schule oder dem Sportstudio nach Hause“, kann der Herr Papa zu dieser Leidenschaft seiner Tochter ergänzen. Doch wie schließlich jeder weiß und was Jule Greul als weiteres Lebensmotto anführt: „Yolo“ (Abkürzung des englischen „You only live once“, was übersetzt „Man lebt nur einmal“ heißt).

Dass sie in diesem einen Leben ihr Geld als Profi-Kickboxerin verdienen wird, kann sich die Gymnasiastin nicht vorstellen. „Ich will mein Abitur machen, danach die Welt bereisen und eine Ausbildung bei der Polizei machen. Und ich möchte auf jeden Fall noch einmal bei den US-Open kämpfen und dort gewinnen“, hat Jule Greul klare Pläne. Auch die höchste Graduierung in ihrem Kampfsport möchte sie unbedingt erreichen. Den Braunen als zweithöchsten Gürtelgrad darf sie bereits tragen, die Prüfung zum Schwarzen Gürtel und 1. Dan ist erst ab dem 18. Lebensjahr möglich.

Bis zu 8000 Euro Kostenim Jahr
Sowohl der Aufwand an Training als auch der finanzielle, um ihre Ziele weiter wie bisher verfolgen zu können, ist anspruchsvoll. „In einem Jahr wie dem vergangenen kommen schon alles in allem bis zu 8000 Euro zusammen, die wir als Familie für Jules Sport aufbringen müssen“, sagt Jochen Greul, der jedoch mit seiner 46-jährigen Frau, medizinische Fachangestellte bei einem Kinderarzt, voll und ganz hinter der Sache steht. Zu Beginn der Corona-Pandemie wurde sogar eine eigene 16-Quadratmeter-Matte mit Boxsack für den heimischen Keller angeschafft. „Im März German Open in Lünen und Weltcup in Innsbruck, im April Bayernpokal in Erding, im Mai bayerische Meisterschaft und Pointfighting-Cup in Mailand, im Juni deutsche Meisterschaft in Lübeck und Weltcup in Budapest, im August Flugreise zur EM nach Istanbul, im November Manus-Trophy in Kassel und ein kleineres Turnier in Pommersfelden“, zählt der „Hauptsponsor“ die Termine vom vergangenen Jahr 2023 auf.

Drei Mal Training pro Woche
Vor den größeren Events steigert Jule Greul ihr Trainingspensum auf bis zu sechs Tage pro Woche, in den anderen Phasen sind drei Mal eineinhalb bis zwei Stunden im Sportstudio das normale Programm. „Meine Kicks sind ziemlich hart, aber manchmal müsste ich in engen Situationen noch mutiger sein und mir mehr mit den Fäusten zutrauen“, analysiert Jule Greul selbstkritisch. Doch bis zur nächsten WM bleibt noch etwas Zeit – für Sparring und auch die eine oder andere Runde mit den Neubrunner Moped-Freunden zum seelischen Ausgleich.

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