Das Sportstudio Schorn bietet Kindern erstmals Online-Kurse an: sechs Mal die Woche. Über die Schwierigkeiten für Sportstudios in diesen Zeiten und den Drang von Kindern nach Aktivität. – Von Pia Bayer (Fotos: Pia Bayer)
Sehnsucht nach Bewegung
Untermerzbach/Ebern – Nike streift die weiße Hose über. Sie pellt die rosa Socken von den Füßen und bindet den weiß-orangen Gürtel um. Der Flechtzopf sitzt. Das blaue Licht eines Laptop-Bildschirms strahlt in den Nebenraum. Die Zoom-Konferenz läuft schon. „Hallo“, tönt eine Jungenstimme aus dem Lautsprecher. Er winkt. Einige Mamas ruckeln Bildausschnitte zurecht, stellen das Mikro richtig ein. Nike schlüpft ins Zimmer und zieht die weiße Tür hinter sich zu: Auszeit von den Brüdern. Zeit für Kinder-Karate. Online, versteht sich. Coronakonform.
Vor der Pandemie hatte die Acht jährige zwei Mal pro Woche Karate Unterricht. Sie braucht die Bewegung als Ausgleich, freut sich auf die anderen Kinder, den Spaß am Sport und vor allem das gemeinsame Rennen und Toben. Doch mit dem Lockdown im März lag der Sport brach. Das Sportstudio Schorn in Ebern, in dem Nike trainiert, durfte wie viele andere keine Kinderkurse mehr anbieten. Online-Training gab es nur für Erwachsene.
Im Sommer dann durften Nike und ihre Freunde zwar wieder trainieren, allerdings unter strengen Auflagen und in viel kleineren Gruppen. Rennspiele und Körperkontakt sind tabu. Der Kursplan des Studios weist zu dieser Zeit neun Einheiten Kinder-Karate wöchentlich aus. „Ein enormer Mehraufwand“, erzählt Vincent Schorn, der mit seinem Vater Jürgen gemeinsam das Sportstudio in Ebern betreibt. „Als dann nur noch 15 Kinder pro Halle erlaubt waren, waren wir mit zwei Trainern in zwei Hallen“, führt er weiter aus.
Handeln statt abwarten
Mit dem Teil-Lockdown von Anfang November kommt das erneute Aus fürs Kindertraining im Sportstudio. „Aber diesmal wollten wir nicht warten“, sagt Vincent Schorn. „Diesmal bieten wir auch für die Kinder Online-Training an.“ Denn „es ist uns wichtig, dass die Kinder sportlich aktiv bleiben, dass sie eine Möglichkeit haben, sich gegenseitig zu sehen und auch den Draht zu uns nicht verlieren“, erklärt der gelernte Physiotherapeut. Mittwochs und freitags haben die Karate-Kinder des Sportstudios seitdem die Möglichkeit an maximal sechs Trainingseinheiten teilzunehmen.
Zwölf kleine Fenster sind mittlerweile in der Zoom-Konferenz aufgeploppt. Kirill schmeißt einen Sitzsack durchs Zimmer, Liara hüpft auf einer grünen Turnmatte hin und her. Nike tritt ganz nah an den Laptop, winkt den anderen kindern zu und richtet die Kamera noch einmal aus. Als Vincent Schorn die Kinder begrüßt, leuchtet sein Fenster gelb auf. Kurz kehrt Stille ein. „Shomenirei.“ Die Kinder verbeugen sich zum Gruß. „Super, dann legen wir direkt los, zehn Hampelmänner ohne Arme“, gibt Vincent Schorn vor und lacht in die Kamera. „Fünf, sechs, sieben“, zählt Nike laut mit. Nach und nach erscheinen drei weitere Fenster in den Konferenzen. Am Ende nehmen 15 Kinder teil.
Fitter als im Studio
Nach zwei Aufwärmspielen darf sich jedes Kind eine Übung aussuchen. „Nasenblock“: Nike führt die Unterarme vor dem Gesicht zusammen, die Hände sind zu Fäusten geballt. „Front-Kick“: Nike stellt sich auf das linke Bein, kickt den rechten Fuß nach vorne, die Fußspitze spitz auf Kopfhöhe. „Brücke“: Nike legt sich auf den Boden, sie winkelt Arme und Beine an und streckt sich. Der Kopf hängt kopfüber. Im Hintergrund leuchtet der Laptopbildschirm. Liara wünscht sich den „Schmetterling“. „Das ist aber eine schwierige Übung. Na los, versuchen wir´s“, erklingt Vincent Schorns Stimme aus dem Lautsprechern, Nike setzt sich in den Schneidersitz, lässt die Knie bis ganz auf den Boden fallen, beugt sich nach vorne und legt den Kopf zwischen die Beine. „Super, Mädels“, kommentiert der Trainer, „ich kann das nicht.“ Nike schaut auf und sagt: „Dann musst du das aber mal üben.“ Ihr Zoom-Fenster leuchtet gelb auf: „Ich üb´das, versprochen.“ „Ich war schon lange nicht mehr so gut in Form wie jetzt – und ich geb nur Kindertraining“, kommentiert der 23-Jährige, wenn er an die Szene denkt. Die Herausforderung des Online-Trainings sind andere als die in der Halle: „Normalerweise habe ich eine Übung ein-, zweimal vorgemacht, dann bin ich herumgegangen und habe Hilfestellung gegeben. Jetzt muss ich jede Übung mitmachen, nicht nur vormachen. Wenn ich aufhöre, hören die Kinder auch auf“, erklärt er. „Bei 10 Liegestützen im ersten Kurs, 20 Kniebeugen im zweiten und 30 Hock-Streck-Sprüngen im dritten Kurs kommt da einiges zusammen.“
Für die Kinder bieten die Online-Trainings ebenfalls die Möglichkeit, ein neues Niveau zu erreichen. Denn auch wenn die einzelnen Einheiten für verschiedene Altersgruppen empfohlen wurden, können sie einfach an allen Konferenzen teilnehmen. „Es gibt keine Teilnehmerbeschränkung“, erläutert Vincent Schorn, und wir haben manche Kinder dabei, die verbringen so tatsächlich ihren ganzen Nachmittag.“
Der 23-Jährige ist begeistert, dass das Online-Training von den Kindern so gut angenommen wird. „Am Anfang hatte ich da schon meine Zweifel“, gesteht er.
Nike wirbelt durch die Luft und beendet einen „Round Kick“. Vincent Schorn will die nächste Übung ansagen. Stattdessen hört man zwei Jungenstimmen aus den Lautsprechern. Immer öfter leuchten nun einzelne Fenster in der Zoom-Konferenz mit einer gelben Umrandung auf. Die Konzentration lässt nach. Nike wirkt müde. Sie richtet die Kamera neu aus. „Dann kommen wir zum Schluss und machen die Kata“, setzt Vincent Schorn sich durch. „Denn wenn wieder Training möglich ist, wollen wir natürlich die nächste Gürtelprüfung Gelbgut machen“, erzählt er weiter. Nikes Augen werden größer, sie hüpft auf einer Stelle. Das Stimmengewirr verstummt. „Gürtelprüfung, Hurra“, flüstert Nike in sich hinein, legt die Hände ans Gesicht und hüpft weiter auf und ab. Der Motivationsschub hat gewirkt. Der Nachteil des Online-Trainings sei einfach eine kürzere Konzentrationsspanne, sagt Vincent Schorn. „Deswegen machen wir auch immer nur 30 Minuten, um die Motivation zu halten – lieber kürzer, dafür mit voller Aufmerksamkeit “, meint er.
Solange das Sportstudio für Kinder geschlossen ist, wollen Jürgen und Vincent Schorn das neue Format beibehalten. Für die Zeit danach haben sie sich auch schon eine Belohnung überlegt: „Und zwar wollen wir diverse Workshops mit Formen-, Bo-, Wettkampf- und Akrobatiktraining anbieten, sowie in den Ferien eventuell keine Pause einlegen und wieder durchtrainieren.“ „Hat´s euch Spaß gemacht?“, tönt es zum Abschluss des Online-Trainings aus den Lautsprechern. Nike rennt zur Kamera und schreit: „Jaaa!“ ihre Brüder wissen nun: Das Online-Training ist vorbei. Denn diese Schluss-Rufe hört man auch in den Nebenzimmern. Laptop zu. Tür auf: Zeit zum rennen und Toben – wenn schon nicht beim Sport, dann wenigstens mit den Geschwistern.
Hier gelangst du zu den Onlinekursen: https://sportstudio-schorn.de/onlinetraining/